6. Bürgerdialog „Bad Belzig spricht!“ am 13.7.20
Bürger und Stadt: Wie gelingt Zusammenarbeit?
Wie kann eine stärkere Bürgerbeteiligung in Bad Belzig aussehen? An diesem Abend wollten wir gemeinsam die Grundlagen der Kommunikation erforschen: Welche Haltungen können zu einer gelingenden Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung, der Politik und den Bürgern der Stadt beitragen. Ausgangspunkt dafür war der Austausch darüber, welche Erfahrungen wir in unserem eigenen Leben gemacht haben mit „gehört werden und wirksam sein“ oder im Gegensatz dazu mit „abgewürgt werden, sich ohnmächtig und fremdbestimmt“ fühlen. Darüber hinaus fragten wir nach den Erfahrungen mit Beteiligung in unserer Stadt. Ziel des Abends war es, Muster für eine funktionierende Struktur der gegenseitigen Unterstützung aller Beteiligter zu formulieren. Was braucht es für eine gute Beteiligung, von der alle Seiten profitieren können?
Das waren die Ausgangsfragen unseres Bürgerdialogs, der bei schönstem Sonnenschein im Garten des Kleinkunstwerkes 30 Teilnehmende aus verschiedensten Bereichen unserer Stadt angelockt hatte. Es fanden sich Menschen aus der Verwaltung, der Stadtverordnetenversammlung, von bürgerschaftlichen Initiativen wie Smart Village, dem Open Government – Projekt und von LAP Programm „Demokratie leben“, geflüchtete Menschen und weitere engagierte Bürger zusammen. Auch unser Bürgermeister Roland Leisegang beteiligte sich intensiv an den Dialogen. So konnten eine Vielfalt von Perspektiven auf das Thema eingebracht werden. Im Unterschied zum ersten Bürgerdialog, wo es noch eine klassische Spaltung und Spannung zwischen Bürger und Politik gab, hatte sich das gegenseitige Verständnis weiterentwickelt. So konnte das Treffen in einer wohlwollenden, interessierten und friedlichen Atmosphäre der Kollegialität stattfinden.
Dazu beigetragen hat sicher auch die Einladung, uns als Menschen und nicht als Rollen zu begegnen. Die erste Übung: In einem Halbkreis stellten wir uns – ausgehend von biografischen Prägungen mit Wirksamkeits- und Ohnmachtserfahrungen – auf: an dem einen Ende 100% Selbstwirksamkeit – an dem anderen 100% Ohnmacht. Die Fragen dabei waren: Wo hast du Resignation erlebt und wo Erfolg? Kannst du zuhören und wird dir zugehört? Was sind Vorerfahrungen in Familie und Schule, die dich noch heute prägen? Einzelne Menschen sprachen dazu, warum sie sich an diesen Platz gestellt haben.
„Weil ich alleine nach Deutschland fliehen musste, habe ich eine hohe Wirksamkeit erlebt. Ich fühle mich hier frei und kann aus eigener Kraft handeln.“ (ein syrischer Geflüchteter)
„Ich stand in meiner Jugend mit dem Rücken zur Wand und habe nur beobachtet, statt selbst zu handeln.“ (ein jetziger Stadtverordneter)
„Ich stehe hier, weil ich in der Vergangenheit und als Kind gelernt habe, nicht aufzufallen, keine Position zu beziehen und möglichst unsichtbar zu sein. Alleine die Erwartungen anderer zu erfüllen war mir als sicher vorgelebt worden. Das ist sehr traurig, ich fühle es noch und es fühlt sich eng an und ich bin auch wütend darüber.“ (ein Belziger Neubürger)
Die nächste Aufstellung hatte die Fragestellung: Wie ist heute dein Verhältnis zur Stadtpolitik? Fühlst Du dich nah am Geschehen? Bist Du informiert? Kannst du dich einbringen? Wirst du gehört? Wird dir bei Problemen geholfen? Gibt es eine Bindung und Beziehung zur Stadtpolitik oder eher Desinteresse und Ferne? Hier sprachen sowohl Politiker als auch Bürger aus ihrer jeweiligen Erfahrung heraus. Wieder kamen einige Stimmen aus den verschiedenen Segmenten zu Wort.
„Ich fühle mich informiert, aber wie ich wirksam sein kann, weiß ich nicht!“ (eine engagierte Bürgerin)
„Man muss sich einbringen, dass habe ich gelernt. Man kann was bewegen.“ (ein Stadtverordneter)
„Ich bin weit draußen, also nicht wirksam. Aber ich fühle mich da ganz wohl, weil ich alt bin. Also ich muss nicht mehr so viel machen.“ (eine ältere Dame)
„Ich bin keine Alleinregierung, sondern ein Verfechter der Demokratie. Ich bin interessiert, dass mehr Bürger auf die wirksame Seite kommen.“ (der Bürgermeister)
Anschließend gab es zu zweit einen Austausch über das Erlebte: Wie wirken deine inneren Erfahrungen und deine Haltung in der Stadt zusammen? Was lässt dich ohnmächtig sein und was wirkt begünstigend auf deine Selbstwirksamkeit?
Bei dem folgenden Dialog in 5 moderierten Gruppen von bis 4 – 6 Personen ging es eine Stunde lang nicht so sehr darum, einzelne Konflikte oder Ideen zwischen Bürger und Stadt zu diskutieren, sondern Muster des Gelingens aus den eigenen Erfahrungen zu destillieren. Was braucht es, damit Zusammenarbeit möglich wird?
Die zahlreichen Vorschläge wurden auf Kärtchen geschrieben und am Ende vorgestellt und angepinnt. Daraus soll so etwas wie ein „Mitmach-Manifest“ entstehen: Eine gemeinsame Vereinbarung, wie alle Beteiligten sich gegenseitig unterstützen können, um Bad Belzig zu einer „Stadt mit Herz“ weiter zu entwickeln. Die mögliche Präaambel könnte lauten:
„Für eine gelingende Zusammenarbeit zur Entwicklung unserer Stadt ist es wichtig, dass alle Beteiligten frei ihre Ansichten äußern können, ohne Angst vor persönlichen Angriffen oder Kritik zu haben. Respektvolles Sprechen und Zuhören ist dafür die Grundlage. Alle Beteiligten werden im Geiste der Freundschaft zusammenarbeiten, um diese Aufgabe gemeinsam anzugehen.“ (siehe den Text „Ergebnisse“)
Mit diesem letzten Bürgerdialog im Kleinkunstwerk wurde der Übergang in das zweijährige Projekt „Alles auf offen: Das Fläming-Labor für Transparenz und Beteiligung“ des Verein Neuland 21 vorbereitet. Das Open Government-Projekt wird im Rahmen der Bundesinitiative „Regionale Open Government Labore gefördert. Ziel ist es, gemeinsam mit Bürger*innen, zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung eine verbesserte analoge wie auch digitale Bürgerbeteiligung zu entwickeln. Aus den bisherigen Bürgerdialogen werden so lebendige Demokratielabore. Eine Idee fand schon an diesem Abend breite Zustimmung: Geloste Bürgerräte, die repräsentativ für die Stadtgesellschaft gemeinsam an guten Lösungen für Themen der Stadt arbeiten.
„Frag nicht (nur), was die Stadt für dich tun kann, sondern (auch) was du für die Stadt tun kannst!“ (frei nach John F. Kennedy)